Leserbrief “Vorratsdatenspeicherung”

Am 15. April 2015 kündigte Justizminister H. Maas an, die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen zu wollen, die er selber jahrelang kritisiert hatte und die im Jahr 2010 vom Bundesverfassungsgericht und im Jahr 2014 vom Europäischen Gerichtshof verboten worden war. Am 27. April 2015 druckte die Süddeutsche Zeitung dazu einen von mir verfassten Leserbrief:

Elektronische Fußfessel für alle

Wie kann die Antwort auf die überbordende und ungesetzliche Überwachung durch westliche Geheimdienste wie NSA, BND und GCHQ sein, noch größere Datenmassen anzusammeln? In einem Rechtsstaat dürfen erst bei konkretem Verdacht Überwachungsmaßnahmen ergriffen werden, sonst besteht die Gefahr, dass die Bürger den Gebrauch ihrer Freiheiten einschränken, um bloß nicht als falsch-positiver Treffer bei einer Rasterfahndung aufzufallen.

Die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung argumentieren unlauter: Es werden Einzelfälle verallgemeinert, um eine Notwendigkeit der Wiedereinführung zu belegen. Es werden seriöse Gutachten ignoriert, die der Vorratsdatenspeicherung keinen nennenswerten Nutzen für die Strafverfolgung attestieren. Es werden gar frei erfundene Beispiele genutzt, siehe Sigmar Gabriels Behauptung, die Vorratsdatenspeicherung habe bei der Aufklärung der Anschläge von Norwegen 2011 geholfen. Wenn die Vorratsdatenspeicherung aber gar nicht die Verfolgung schwerer Straftaten erleichtert, warum verlangt die Politik sie denn dann?

Wenn schon die Kommunikationsdaten nicht von Nutzen sind, liegt die Vermutung nahe, dass der Staat es auf die Mobilfunk-Standortdaten abgesehen hat: Fortwährende Speicherung der Aufenthaltsorte aller Mobiltelefone in Deutschland, quasi elektronische Fußfesseln für die gesamte Bevölkerung, ohne dass diese sie bemerkt – ein Traum für jeden Sicherheitspolitiker, ein Albtraum für die Väter und Mütter des Grundgesetzes.

Die nächsten beiden Jahre großer Koalition werden sehr schwer für die SPD: Sie hat alle ihre Wünsche aus dem Koalitionsvertrag bereits erfüllt bekommen, jetzt besteht die Union auf die Umsetzung ihrer eigenen Projekte. Vielleicht ist es an der Zeit für die SPD, die Koalition einfach aufzukündigen.

Michael Kuron, Frickenhausen

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