Im November 2020 beschlossen die Landesregierungen, einen großen Teil der Maßnahmen wiederherzustellen, die sie bereits im Frühjahr gegen die Ausbreitung des Coronavirus ergriffen hatten. Am 4. November 2020 druckte die Süddeutsche Zeitung dazu einen von mir verfassten Leserbrief:
Zu viel Optimismus
Der zweite Quasi-Lockdown zeigt, dass der erste keinen bleibenden Nutzen gestiftet hat, sondern lediglich das Unvermeidliche um einige Monate verzögerte. Auch der dritte oder vierte wird uns nicht nah genug an ein Heilmittel bringen, so sehr wir uns das auch wünschen mögen. Gleichzeitig setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass die in die Impfstoffentwicklung gesetzte Hoffnung viel zu optimistisch war und ein Impfstoff voraussichtlich die Eindämmungsmaßnahmen nicht obsolet machen wird. Man muss also durchaus die Frage stellen, ob das Ziel, das wir zu erreichen suchen, überhaupt erreichbar ist. Auch für die rechtliche Bewertung ist diese Frage elementar: Ist eine Maßnahme ungeeignet, ihr Ziel zu erreichen, so ist sie unverhältnismäßig. An einem übermächtigen Gegner wie einer Naturkatastrophe zu scheitern, ist jedenfalls keine Schande. Im Gegenteil, es zeigt, dass wir immer noch Menschen und keine Götter sind. Leider sind Politiker nicht bekannt dafür, eigene Fehler eingestehen zu können. Dies wird aber nötig sein, da es mit der aktuellen Strategie wohl kein „nach Corona“ geben wird – wenn man bloßes Wunschdenken überhaupt als Strategie bezeichnen kann.
Michael Kuron, Frickenhausen